Beitrag: Silvesterdemo zum Knast

13.12.17

Auch wenn ich mich nun in Tegel befinde.. Ich grüße euch freudig von der anderen Seite dieser Mauern.

Vor einigen Tagen erreichte mich die traurige Nachricht über die Räumung des Gare-Squats und der Inhaftierung von anderen Companeros in Exarcheia/Athen.

Dass sich die Bullen gerade diesen Zeitpunkt für ihre Operation ausgesucht haben, ist wohl kein Zufall. Wo die Besetzung doch schon über ein Jahr bestand und es Phasen gibt, die ein durchaus entspannteres Arbeiten für die Bullen in Exarcheia ermöglicht. Dies zeigt, dass es ihnen nicht um die reine Räumung eines besetzten Hauses ging. In einer Zeit, wo sich intensiv auf die Verteidigung des Viertels durch die solidarischen Aktivisten vorbereitet wird, stellt das einen Angriff auf unsere Strukturen, aber vor allem eine gewollte Provokation dar.

Ein kläglicher Versuch ihrerseits, bei dem sie ja schon Steine fressen durften, als Vorgeschmack für Kommendes. Applaus dafür!

Nur weil wir von den Schweinen nichts anderes erwarten, mindert das nicht die unverschämte Dreistigkeit und Unmenschlichkeit, in einer Phase des Gedenkens an Alexandros und die vielen weiteren Schwestern und Brüder, ermordet durch Staates Hand, in unsere Räume einzudringen und unsere Leute zu traktieren und festzusetzen. Dies zeigt deutlich auf, in was für einer Art Konflikt wir uns mit dem Staat und dessen Vertretern befinden. In einer wo keine Rücksicht auf Würde, humane Befindlichkeiten, Rechte, Ethik und Leben genommen wird. Es liegt an uns dem entgegen zu treten.

Umso mehr erfüllt es mich mit Stolz und Glück, wenn ich an die vergangenen Nächte in Exarcheia und den Besuch an der Parteizentrale, der wohl eher den davor abgestellten galt, zurückdenke.

Zeitgleich kämpfen unsere Freund*innen im Hambacher Forst um das noch übrig gebliebene Stück Wald, welches symbolisch für zukunftsorientiertes, logisches Denken und gegen die Ermordung des Lebens für Profit steht. Und auch wenn nun ein Gericht, eines von vielen, die Bagger, Kettensägen und dessen niederen Beschützer zum Stillstand verdonnert, sollte man das nicht als Erfolg missinterpretieren. Immerhin sind über zwei Drittel des Hambacher Forstes bereits widerrechtlich zerstört worden. Jetzt der Justiz zu vertrauen und zu danken, die diese Zerstörung unkommentiert geschehen lassen hat und das dort und andernorts auch weiterhin tun wird, kann man stark untertrieben als naiv bezeichnen. Daher hoffe ich auf weiterhin breiten und entschlossenen Widerstand. Gegen ein Paradebeispiel von Kapitalismus Hand in Hand mit Staat und Justizia und der irrsinnigen Vorstellung von Recht und Ordnung. Denn es ist nun mal legitim ein Biotop, ein Lebensraum, Leben an sich, das Klima, letztendlich diese Erde zu Gunsten des Umsatzes zu zerstören. Und wenn du dich dagegen stellst, bekommst du Pfeffer und Stiefel ins Gesicht, landest im Knast oder wie unser Freund Remi Fraise mit einer Gasgranate im Kopf unter der Erde.

Vor zwei Jahren stand ich dort, an eurer Seite. Nicht ahnend, wie es auf der anderen Seite der Mauer aussieht und welch absurdes Spiel von der Justiz innerhalb dieses abgetrennten Kosmos gespielt wird. Ich konnte mir auch nicht vorstellen, was für eine Wirkung oder Bedeutung meine Beteiligung an einer Demonstration vorm Knast für die Insassen hat. Ich stand da in der festen Überzeugung, dass es das Richtige ist mein Silvester, die größte Party der Erde, in Solidarität mit Mitstreitern, Leidensgenossen, Verstossenen und Ungeliebten dieser Gesellschaft zu verbringen. Was ich jetzt weiss, ist: für mich, für uns hier hinter den doppelt vergitterten Fenstern und den mit Natodraht verzierten doppelt gezogenen Mauern, bedeutet es viel.

Es gibt zwei Mechanismen mit denen sie dich hier drinnen fertig machen: Die bekannte Isolation von Freunden, Familie, Geliebten und materiellem Luxus. Das andere ist die zermürbende Langeweile, Tristes, Eintönigkeit, mit der du gefügig gemacht werden sollst. Indem du jegliche menschliche Aufmerksamkeit würdigst, danach verlangst und lächelnd einen schönen Feierabend wünscht, während der Schlüssel ins Schloss klackt. Indem du dich anstrengst, gut führst, andere anscheisst für einen Sklavenjob, ein paar Stunden mehr in Gesellschaft, öfteres Duschen, Sport- und Gruppenangebote. Bei 21h Zellenroutine wird das wöchentliche Duschen zum Highlight.

Also macht mal ordentlich Lärm, um zwei Fliegen mit einer Klappe zu zerschlagen, die Isolation und die routinierte Tristes.

Für ein widerständiges Jahr 2018 in Athen, in den Knästen, auf der Straße, im Hambi und überall, wo es noch gerade Menschen zu vermuten gibt!

Grüße gehen raus an Fabio, Andreas und die μπαχαλα-Crews!

Nero